Früh klingelte der Wecker um 6.30 Uhr - Trainingsbeginn war zwar "erst" um 8.30 Uhr, aber wir wussten nicht, wie die Verkehrslage auf der Autobahn an einem Werktag aussehen würde.
Zum Glück nicht allzu anders als in den vergangenen Tagen, so dass wir viel zu früh in Darmstadt Arheilgen angekommen sind. Aber besser so als zu spät kommen. Die Kinder hatten die Müdigkeit von gestern wirklich gut weggesteckt und stapften voller Motivation in die Trainingshalle.
Auf dem Plan stand erst einmal Warm-Up mit Filip - heute direkt in der Tennishalle. Danach ging es mit der 1,5-Stunden-Trainingssession weiter - Beinarbeit, insbesondere das "Schleifen"
stand im Fokus.
Gleich direkt im Anschluss wurde der Regenerationstag auch tatsächlich seinem Namen gerecht - viel Stretching und Mobilisationsübungen sollten die Muskeln lockern.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen - Gemüse, Kartoffel und Spiegelei - war bereits für unsere Gruppe um 12.30 Uhr Schluss.
Trainingsimpressionen von Tag 3
Auf nach Offenbach zur "Base"
Für mich stand heute ein Besuch bei Alex Waske an der "Base" der Schüttler Waske Tennis University in Offenbach auf dem Plan. 20 Minuten Fahrt über Land und schon war ich auf der Rosenhöhe, dem Trainingsgelände der SWTU.
Das kleine Büro der SWTU ist in das Leistungszentrum des Hessischen Tennisverbandes integriert - von diesem wird auch die 4-Feld-Halle sowie die daran angeschlossene Gastronomie genutzt. Die Sandplätze liegen direkt um die Ecke, schön im Grünen gelegen.
Auf drei Plätzen wurde bereits fest gearbeitet: sechs Kinder bzw. Jugendlicheaus fünf Nationen trainierten mit drei Coaches - "Trainingssprache" ist englisch. Alex Waske selbst war als "wandernder" Coach auf allen drei Plätzen unterwegs, forderte die Spieler mit motivierenden und teilweise provokanten Äußerungen heraus.
Insgesamt war es eine ruhige, unaufgeregte, konzentrierte aber auch lockere Stimmung auf dem Platz. Auffallend war: kein Geschrei oder Gezeter, gute Körpersprache, angestrengte Gesichter, aber immer auch ein Lächeln zwischendurch war zu sehen.
Erfahrungsbericht einer zufriedenen "Tennismutter"
Interessant für mich war ein Gespräch mit einer sehr netten russischen "Tennismutter", deren 13-jähriger Sohn Mikhail mit einem gleichaltrigen japanischen Jungen trainierte. Mikhail wohnt mit seiner Familie aus beruflichen Gründen in Frankfurt und besucht dort die internationale deutsche Schule.
Nachmittags fährt ihn seine Mutter zum Training in die TU - in den Ferien wie jetzt ist er auch morgens am Start.
Seine Mutter war sehr mit dem Training und allem, was die TU anbietet, zufrieden. Mikhail ist einer der derzeit 25 Vertragsspieler an der SWTU, wie mir Cornelia Heintze, Head of Administration und Finance bei der SWTU, erzählte.
Neben den Vertragsspielern gibt es auch viele Juniors, die regelmäßig zum Training kommen - allerdings haben die Vertragsspieler immer Vorrang, d.h. auch in den Ferien wird garantiert, dass je nach vereinbarten Trainingsumfang ein Training mit der eigenen Trainingsgruppe absolviert werden kann. Wie auch im Camp stehen grundsätzlich nur zwei Spieler pro Trainingseinheit auf dem Platz, pro Woche werden 20 Stunden Training (Tennis und Fitness) angeboten.
Individualität nicht nur "on-court" - Schule geht vor
Was mir aufgefallen ist, ist dass es wohl keine "Schema F"-Behandlung gibt - auch in Bezug auf die schulischen Verpflichtungen der Kinder. Da viele ausländische Kinder und Jugendliche mittrainieren, gehen einige Schüler teilweise in ihren Heimatländern kompakt zur Schule, besuchen tageweise eine internationale Schule in Frankfurt oder lernen per e-Learning.
Schulische Unterstützung und Kontrollen gibt es anscheinend laufend - sofern die Noten schlechter werden, wird der Trainingsumfang reduziert, eine Rückmeldung an die Eltern gibt es natürlich auch.
Auch werden die Eltern über den Trainingsfortschritt alle zwei Monate umfänglich informiert. Zu Begin der Zusammenarbeit werden Jahresziele definiert, die dann in der Trainingsarbeit auf Monats- und Tagesziele heruntergebrochen werden.
Das Gesamtpaket muss einfach passen
Alex Waske nahm sich viel Zeit, um mit mir über seine Arbeit und die Philosophie der SWTU zu sprechen. Bevor es zu einer Zusammenarbeit kommt, ist ihm wichtig, dass alle Spieler erst einmal vorab eine Trainingswoche zum "Testen" bei der SWTU verbringen.
Denn das Gesamtpaket des Spielers, in dem bei Weitem nicht nur die spielerischen Fähigkeiten wichtig sind, muss zur SWTU passen. Unbedingter Wille ist ihm wichtig - diesen zu zeigen und nicht nur auszusprechen ist Voraussetzung.
Tenniseltern sollten sich mit Aufsichtsräten vergleichen
Auch zu uns "Tenniseltern" hat er eine klare Ansage und vergleicht Tenniseltern mit "Aufsichtsräten" in Unternehmen, die doch bitte nur die Kontrolle über die getane Arbeit "ausüben" sollen.
Einen doch recht guten Vergleich stellt er an und fragt: "Wie oft kontaktiert ihr denn die Lehrer eurer Kinder?" In der Schule würde schließlich auch den Lehrern die Regie über den schulischen Werdegang überlassen. Da hat er ja nicht ganz unrecht.
Langfristplanung wichtiger als Erfolg in jungen Jahren
Viele Tenniseltern würden sich in viel zu viele Dinge einmischen und denken viel zu kurzfristig. Es sei wichtig, die Kinder über lange Zeit zu begleiten und nicht darauf aus zu sein, bereits in jungen Jahren möglichst einen Top-Ranglistenplatz zu haben.
Sofern Kinder bei unterschiedlichen Trainern arbeiten (Vereinstrainer, Kadertrainer, Athletiktrainer), müsse einfach ein einheitlicher Plan verfolgt werden, eine laufende Abstimmung der Trainingsarbeit stattfinden. Damit sprach er mir zwar aus der Seele - aber in der Realität sieht dies jedoch leider allzu oft anders aus. Letzten Endes haben wir es aber als Eltern von tennisbegeisterten und talentierten Kindern selbst in der Hand als Aufsichtsräte das richtige Unternehmen, sprich die richtige Trainingsumgebung für unsere Kinder zu suchen.
Der kurze Ausflug vermittelte mir schon einen ersten Eindruck und dieser ist gut und vom Konzept her in sich schlüssig. Individualität wird an der SWTU betont, die Weiterentwicklung der Kinder auch "neben" dem Platz hin zu Persönlichkeiten sei sehr wichtig.
Die Aussagen der russischen "Tennismutter" und auch die Entscheidung dänischer Eltern, ihren Sohn nach der "Probewoche" und nach Besichtigung vieler Tennis Academies in Europa letzten Endes auf Wunsch ihres Sohnes und aus eigener Überzeugung an die SWTU zu bringen, sprechen dafür, dass hier nicht nur geredet, sondern auch danach gehandelt wird.
Schön fand ich abschließend auch, dass Alex sagte, dass sie sicherlich auch nicht jeden Tag ein perfektes Training abliefern, aber ständig versuchen, sich zu verbessern. Das ist keine Schönfärberei, sondern offen und ehrlich.
Und jetzt geht der Regenerationstag "off-court" weiter
Vollgepackt mit "Base-Eindrücken" ging es wieder zurück nach Darmstadt-Arheilgen, wo die Kinder schon auf die Abholung warteten.
Heute werden wir eine Chill-Nachmittag einlegen, etwas Spiele spielen und lesen. Morgen können wir es ganz ruhig angehen lassen, denn Trainingsstart der Gruppe ist erst um 11.30 Uhr - dafür geht's dann aber auch bis 17.30 Uhr. Spätschicht sozusagen.