Schon allein der Titel des Buches von Meister-Trainer Günter Bresnik „Die Thiem-Methode – Erfolg gegen jede Regel" machte mich neugierig. Nicht nur, weil ich von Dominic Thiem begeistert bin, von seinem aggressiven Spiel – insbesondere seiner sagenhaften Rückhand, seiner besonnenen und selbstkritischen Art. Vielmehr war ich mehr als gespannt darauf, wie man als Trainer eine „Methode" für den Erfolg entwickelt und diese dann wie man am Beispiel von Dominic Thiem sieht, auch wunderbar in die Tat umgesetzt hat. Wobei der Weg von und die Arbeit an und mit Dominic Thiem laut Günter Bresnik ja noch lange nicht zu Ende ist. Aber dazu später mehr.
Um ganz ehrlich zu sein – ich habe das Buch verschlungen. Es ist einfach sehr flüssig geschrieben – ganz besonders haben mir die vielen lehrreichen „Erfolgs-Zitate" von Bresnik gefallen. Auf den Punkt, klar und eindeutig in der Aussage – Punkt. Beinahe jedes einzelne davon könnte man in den Trainingsbereichen der Nachwuchsspieler aufhängen. Sie würden stets exzellente Anleitungen und Motivationshilfen nicht nur für die Kinder und Jugendlichen sein – nicht zuletzt ist auch für Tenniseltern viel Lehrreiches dabei!
Statt Dominic Thiem steht erst einmal Günter Bresnik im Vordergrund
Aber jetzt erst einmal Näheres zum Buch und das von Anfang an. Wer von der ersten Seite an erwartet, alles von und über Dominic Thiem zu erfahren, der wird erst einmal enttäuscht sein.
Zwar schreibt Dominic im Vorwort „Volle Post!" in Kürze seinen erfolgreichen Weg an die Tennis-Weltspitze.Mein Lieblingszitat „Günter sagte: Ab jetzt machen wir`s gescheit. Dieser Satz veränderte mein Leben." Wobei „Volle Post" das erbarmungslose „Draufhämmern" auf jeden Schlag meint.
Danach übernimmt aber Günter Bresnik das Wort und behält dieses über weite Strecken: Eigentlich handeln zwei Drittel des Buches über den Werdegang des Günter Bresnik. Wie aus dem Medizinstudenten ein akribischer Meister-Trainer wurde, dem in den 80er-Jahren nicht nur die österreichischen Tennis-Asse Horst Skoff und Stefan Koubek, sondern auch ein Boris Becker vertrauten. Wie genau Bresnik`s Vater wie auch sein erster, „Badeschlapfen"-tragender Tennistrainer Eugen Gressl ihn in der Wiener Vorstadt prägten und mit zu der Persönlichkeit machten, die er heute ist. Aber der Reihe nach.
Mit 16 Jahren kommt Besnik erst zum Tennis – John McEnroe ist sein großes Vorbild. In der Schule eher ein Flegel, mutierte er voller Ehrgeiz auf dem Tennisplatz zum „Streber", saugte die Worte seines ersten Tennistrainers Gressl auf wie ein Schwamm. Lernte schnell und war der geborene, akribische Arbeiter. Dennoch begann er nach der Schule auf Wunsch seinen Vaters, der Arzt war, sein Medizinstudium.
Als Sparring-Partner des damals 14-jährigen Horst Skoffs lernte er sukzessive den Spitzensport Tennis kennen und lieben. „Skoffie war meine Nabelschnur zum Tennis". Denn nach dem verletzungsbedingten Absturz von Skoff in der Rangliste, seiner Trennung von Verband und Trainer, war es Skoff, mit dem Bresnik erstmals als Trainer durch die Tenniswelt tingelte. Das Ende des Medizinstudiums war beschlossene Sache, der Vater damit einverstanden.
Ausführlich berichtet Bresnik über seine weitere Entwicklung, seine Stationen und Begegnungen als Trainer. Und über seine intensive Zusammenarbeit und Freundschaft mit Horst Skoff. Allen, denen Namen wie Bob Brett, Thomas Muster, Wilander, Edberg und Co. noch ein Begriff sind, werden diese Buchpassagen lieben. Auch der Zusammenarbeit mit Boris Becker ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Nach der Trennung von Becker waren Bresnik`s „Lehrlings- und Gesellenjahre" als Trainer vorbei. Die Arbeit mit Stefan Koubek begann, den er mit System und Methode an die Weltspitze führte.
„Dann kam der Junge, der nie stillstehen konnte"
Es war Dominic Thiems Vater Wolfgang, der 1997 zu Bresnik in die Wiener Vorstadt kam und als Trainer im Leistungsbereich anheuern wollte. Trotz geringem Trainersalaire fing Wolfgang Thiem bei Bresnik an und wurde schnell dessen Lieblingstrainer. Dominic war damals 4 Jahre alt. Der erste Eindruck von Bresnik am kleinen Dominic war, „dass der Junge nicht stillstehen konnte". Der schüchterne Bub hatte „nicht mehr Ballgefühl, war nicht schneller oder lernte schneller als andere Kinder seines Alters". Aber er hatte zwei absolut herausragende Eigenschaften: „ er liebte Tennis wie kein anderer und er verlernte nichts". Die Basis seiner Karriere zum Weltklassespieler.
Als Dominic 10 Jahre war, skizzierte Bresnik bereits dessen Bild als Profispieler. Bis heute arbeitet er mit ihm akribisch nach seinen Werten und Prinzipien, um diesem Bild immer näher zu kommen– wie man heute sieht, mehr als erfolgreich.
So löste er bei Thiem über Jahre hinweg die drei Hauptprobleme: weg mit der beidhändigen Rückhand, weg vom „Schupferkönig", hin zum aggressiven Spieler („Volle Post"), und weg vom lieben, artigen Dominic.
Aber eigentlich ist die Entwicklung aus Ausschöpfung von Dominic`s Potential noch bei Weitem nicht ausgeschöpft, es wird weiter daran gearbeitet. Bresnik bezeichnet die Zusammenarbeit mit ihm als sein „Meisterstück". Die Dominic Thiem Methode sein ein Weg, den man wieder erfolgreich gehen könnte, sofern er „ einen Spieler mit den wesentlichstes körperlichen Voraussetzungen, bedingungsloser Liebe zum Sport und sowie uneingeschränkter Unterstützung der Eltern".
Mit den wichtigsten Erfolgsfaktor in Thiems Karriere spielten aber seine Eltern, die Bresnik von Anfang an blind vertrauten – auch dann noch als Bresnik dem siegesverwöhnten Thiem im Alter von 12 Jahren die beidhändige „Schupfrückhand" auf eine einhändige Rückhand umstellte und er dadurch beinahe zwei Jahre kein Turnier mehr gewann.
Mit 17 Leistungsprinzipien zum Erfolg – Sieger-Tipps von Günter Bresnik
Im letzten Drittel des Buches stellt Bresnik Leistungsprinzipien auf, die als Dominic-Thiem-Methode, als Erfolgs-Methode für das Siegen bezeichnet werden können.
- Am Anfang steht das Ziel
- Ein Wunsch ist kein Ziel
- Ein gutes Ziel ist ehrgeizig
- Vorbilder nützt man durch Analyse, nicht durch Kopie
- Lernen beginnt mit dem Eingeständnis von Unwissen
- Wer an Fehler denkt, wird Fehler begehen
- Man bricht eine Regel nicht, bevor man sie verstanden hat
- Leistung entsteht nicht aus Selbstvertrauen. Selbstvertrauen entsteht aus Leistung.
- Erfolg rechtfertigt jeden Aufwand, aber nicht jeden Preis.
- Man kann Misserfolg nicht ausschließen. Aber man kann richtig damit umgehen.
- Talent ist unbedeutend
- Wirklich gut wird man nur in etwas, das man liebt.
- Nicht zu arbeiten ist besser, als schlecht zu arbeiten.
- Leistung kann man erzeugen, Erfolg muss geschehen.
- Die Substanz setzt sich am Ende durch, nicht die Oberfläche.
- Erfolg entscheidet sich nicht am Ende, sondern am Anfang.
- Eine gute Führungspersönlichkeit muss zuerst Persönlichkeit sein.
Diese Werte und Prinzipien gelten natürlich nicht nur für angehende Tennisprofis, sondern sind allgemeingültig und auf viele Lebensbereiche anwendbar. Bresnik ist der Meinung, dass „… die Ausbildung von Spitzensportlern ..immer mehr so aussehen wird wie bei Dominic und mir, so intensiv, umfassend und grundlegend."
Ist Erfolg wirklich nach Methode plan- und umsetzbar?
Das Buch und der Ansatz von Bresnik`s Dominic Thiem-Methode ist in sich wirklich schlüssig und nachvollziehbar. Ob diese Methode allerdings wirklich reproduzierbar ist, daran habe ich ehrlich gesagt so meine Zweifel. Denn das Zusammenkommen von den Voraussetzungen ist wirklich beinahe so wie ein Sechser im Lotto. Aber dennoch gibt es für Kinder, die in das Leistungstennis einsteigen wollen oder schon fleißig trainieren, eine ganz wichtige Nachricht: